Fahrgastrechte: EU möchte Entschädigung bei höherer Gewalt ausschließen

Wenn durch einen Sturm der Bahnverkehr lahmgelegt wird, gibt es bei Verspätungen trotzdem eine Entschädigung. Die Fahrgastrechte gelten nämlich auch bei höherer Gewalt. Die EU-Kommission möchte dies allerdings ändern. Warum das ein Fehler wäre und mehr zum aktuellen Entwurf der europäischen Fahrgastrechteverordnung erfährst du in diesem Beitrag.

Bei der DB Information werden dir Verspätungen für die Geltendmachung der Fahrgastrechte bestätigt.

Bahn-Fahrgastrechte sollen bei höherer Gewalt eingeschränkt werden

Die Stürme Xavier und Herwart sorgten im Oktober für große Beeinträchtigungen im Bahnverkehr. Trotzdem stehen dir selbst bei solchen Wetterkapriolen vollumfänglich die Fahrgastrechte zu. Im Verspätungsfall erhältst du so bis zu 50 Prozent des Ticketpreises als Entschädigung von der Bahn.

Der Grund: Die Fahrgastrechteverordnung gilt ebenfalls bei höherer Gewalt. Dies hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) bereits im Jahr 2013 entschieden. Das Gericht kam damals zu dem Schluss, dass die Fahrgastrechte auch bei Unwettern, Streiks und anderen für das Eisenbahnunternehmen unabwendbaren Ereignissen ohne Einschränkung anwendbar sind. Ein von den Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) in den Beförderungsbedingungen formulierter Ausschluss der Fahrgastrechte bei höherer Gewalt war deshalb unwirksam.

Schon damals gab es Kritik an dem Urteil. Insbesondere die Bahnunternehmen sahen sich im Vergleich zu anderen öffentlichen Verkehrsmitteln benachteiligt. Im Flug- oder Busverkehr ist ein Ausschluss der Haftung bei höherer Gewalt nämlich problemlos möglich. Airlines und Fernbusanbieter müssen ihre Passagiere also nicht entschädigen, wenn der Flug oder die Fahrt wegen schlechten Wetters ausfällt oder stark verspätet am Ziel ankommt.

Aus diesem Grund plant die EU-Kommission eine Änderung der Fahrgastrechteverordnung. Künftig soll auch die Bahn bei höherer Gewalt nicht mehr haften müssen. Die Folge: Bei Unwettern würdest du keine Entschädigung mehr erhalten. Die Kommission begründet dies mit der Ungleichbehandlung der unterschiedlichen Verkehrsmittel. Bahnunternehmen würden hierdurch stark benachteiligt und jährlich mit bis zu 1,3 Milliarden Euro zusätzlich belastet.

EU Kommission: Keine Bahn-Entschädigung bei schlechtem Wetter oder Naturkatastrophen

Ein neuer Entwurf der Fahrgastrechteverordnung sieht deshalb vor, dass bei höherer Gewalt Ansprüche der Fahrgäste auf Entschädigung komplett ausgeschlossen sind. Danach muss gemäß Art. 17 der Neufassung der Verordnung allerdings das Eisenbahnunternehmen nachweisen, dass die Verspätung aufgrund von schlechten Witterungsverhältnissen oder Naturkatastrophen verursacht wurde.

 ZRB-Kurzinfo: Keine Bahn-Entschädigung bei höherer Gewalt

Art. 17 Abs. 8 Fahrgastrechte-VO soll künftig lauten:

„Ein Eisenbahnunternehmen ist nicht zur Zahlung einer Entschädigung verpflichtet, wenn es nachweisen kann, dass die Verspätung von schlechten Witterungsbedingungen oder großen Naturkatastrophen verursacht wurde, die den sicheren Betrieb des Verkehrsdienstes gefährdeten und die auch dann nicht hätten vorhergesehen oder verhindert werden können, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären.“

Bei Streiks oder auch Personenunfällen würden die Fahrgastrechte demnach allerdings weiterhin in vollem Umfang gelten. Zudem möchte die EU-Kommission, dass nur in absoluten Ausnahmesituationen keine Entschädigung mehr gezahlt wird. Deshalb hat sie in dem Entwurf ebenfalls festgelegt, dass das Bahnunternehmen alle zumutbaren Maßnahmen ergreifen muss, um die Verspätung zu verhindern. Nach Ansicht der EU-Kommission könnte so eine Ausgewogenheit geschaffen werden, bei der die Rechte der Fahrgäste nur unwesentlich eingeschränkt würden.

Zudem soll die Bahn auch einfacher Regress gegenüber Dritten nehmen können, die eine Verspätung verursacht haben. Dies ist nach der Neufassung auch dann möglich, wenn der Dritte für die Verspätung lediglich fahrlässig ursächlich war und in Vertragsbeziehungen zu dem Eisenbahnunternehmen steht. Eine solche Regelung gebe es bereits im Flugverkehr, hier sollen die Fahrgastrechte deshalb ebenfalls entsprechend angeglichen werden, erklärt die EU-Kommission.

Neufassung der Fahrgastrechteverordnung bringt rechtliche Unsicherheit für Fahrgäste

Dennoch sorgt die geplante Neufassung der Fahrgastrechteverordnung für Rechtsunsicherheit für alle Fahrgäste. Dank gleich mehrerer unbestimmter Rechtsbegriffe ist nämlich nicht absehbar, wann die Bahn künftig haftet und wann sie von der Zahlung der Entschädigung bei Verspätung ausgenommen ist. So ist beispielsweise unklar, ob die Bahn durch einen großzügigen Zuschnitt von Bäumen entlang der Gleise eine Verspätung hätte verhindern müssen.

Hierdurch besteht die Gefahr, dass Eisenbahnunternehmen die Entschädigung zunächst mit Hinweis auf höhere Gewalt komplett ablehnen. Gerade die jüngsten Ereignisse im Flugverkehr zeigen, dass dies keineswegs ein unrealistisches Szenario ist. So hat etwa die EU-Kommission zuletzt Ryanair nachdrücklich aufgefordert, die Fluggastrechte vollumfänglich bei Flugstornierungen zu gewährleisten.

Sollte die Bahn die Entschädigung also ablehnen, müssten Fahrgäste ihre Ansprüche notfalls gerichtlich durchzusetzen. Da die Entschädigungszahlungen in der Regel allerdings nicht besonders hoch ausfallen, dürften nur wenige Bahnfahrer das damit verbundene Kostenrisiko in Kauf nehmen und klagen.

Einschränkungen bei höherer Gewalt bei allen öffentlichen Verkehrsmitteln aufheben

Deshalb sollte sich die EU-Kommission eher dafür einsetzen, den hohen Standard der Verbraucherrechte im Eisenbahnverkehr ebenfalls auf den Flug- und Busverkehr auszuweiten. Hierdurch könnte die Benachteiligung der Bahnunternehmen ebenfalls beseitigt werden. Gleichzeitig profitierten dann Bus- und Flugspassagiere von weiteren Ansprüchen.

Im Flugverkehr ist die Durchsetzung der Rechte oft nicht ganz so einfach wie bei der Eisenbahn.

Gerade im Vergleich zum Flugverkehr sind die Fahrgastrechte der Bahn deutlich umfangreicher. Zudem gibt es hier sehr selten Probleme bei der Geltendmachung der Verbraucherrechte: Während sich für Flugreisen inzwischen bereits etliche Unternehmen auf die Durchsetzung der Fluggastrechte spezialisiert haben, ist dies zumindest in Deutschland bei Bahnfahrten noch nicht nötig.

Die Zahlung der Entschädigung klappt meist völlig problemlos innerhalb eines Monats. In vielen Fällen erhalten Bahnreisende ihr Geld sogar unmittelbar nach Ende der Fahrt im Reisezentrum. Hierdurch zeigt sich, dass es weit größere Probleme bei der Ungleichbehandlung von Flug-, Bus- und Bahnverkehr gibt als nur die Frage der Entschädigung bei höherer Gewalt.

Weiterhin keine Fahrgastrechte bei der Verknüpfung mehrerer Beförderungsverträge

Darüber hinaus sollte die EU-Kommission bei der Überarbeitung der Fahrgastrechteverordnung im Eisenbahnverkehr eher den Fokus auf die Dinge zu legen, die wirklich schief laufen. Eines der größten Themen ist hierbei der Ausschluss der Fahrgastrechte, wenn mehrere Beförderungsverträge zu einer Fahrt verknüpft werden.

Da bei Reisen über mehrere Länder hinweg oftmals keine durchgehende Fahrkarte ausgestellt wird, stehen dir bei einem Verlust des Anschlusses im Fall einer Verspätung des ersten Zuges dann auch keine Ansprüche zu. Problematisch ist dies insbesondere für Fahrgäste, die von Reisebüros oder Bahnagenturen gestückelte Bahntickets unterschiedlicher Beförderer für eine einzige Fahrt erhalten. Teilweise geschieht dies sogar, ohne die Kunden zuvor hierauf hinzuweisen.

Zwar haben einige Bahnen in Europa die Probleme etwas entschärft, indem sie Allianzen gegründet haben und die Weiterfahrt mit einem anderen Zug erlauben. Dies gilt allerdings nur unter ganz bestimmten Bedingungen. So muss es sich oftmals um zwei Fahrten im Hochgeschwindigkeitsverkehr handeln. Nutzt du also etwa im Vorlauf einen Regionalzug des einen Beförderers und verpasst aufgrund einer Verspätung den Hochgeschwindigkeitszug des anderen Beförderers, musst du mitunter auf eigene Kosten ein neues Ticket kaufen.

 ZRB-Kurzinfo: Informationspflichten für Ticketverkäufer in der Fahrgastrechteverordnung

Art. 30 Fahrgastrechte-VO soll künftig lauten:

(1) Beim Verkauf von Eisenbahnfahrkarten informieren Eisenbahnunternehmen, Bahnhofsbetreiber, Fahrkartenverkäufer ï und Reiseveranstalter die Fahrgäste über ihre aus dieser Verordnung erwachsenden Rechte und Pflichten. Um dieser Informationspflicht nachzukommen, können sie eine Zusammenfassung der Bestimmungen dieser Verordnung verwenden, die die Kommission in allen Amtssprachen der Union erstellt und ihnen zur Verfügung stellt. Zusätzlich weisen sie auf der Fahrkarte, entweder auf Papier oder in elektronischem Format, oder in anderer Form – auch in für Personen mit Behinderungen und Personen mit eingeschränkter Mobilität zugänglichen Formaten gemäß den Anforderungen der Richtlinie XXX – darauf hin. Der Hinweis enthält Angaben, wo im Fall von Ausfällen, verpassten Anschlüssen oder großen Verspätungen Informationen erhältlich sind.

(2) Eisenbahnunternehmen und Bahnhofsbetreiber unterrichten die Fahrgäste im Bahnhof und im Zug angemessen – auch in barrierefreien Formaten entsprechend den Barrierefreiheitsanforderungen der Richtlinie XXX – über ihre aus dieser Verordnung erwachsenden Rechte und Pflichten und ï über die Kontaktdaten der gemäß Artikel 31 von den Mitgliedstaaten benannten Stelle oder Stellen.“

Deutlich sinnvoller wäre es hingegen, wenn der europäische Gesetzgeber hier klare Regeln vorgibt. Eine solche Regelung könnte etwa lauten, dass bei gemeinsam erworbenen Fahrkarten die Fahrgastrechte uneingeschränkt gelten, solange zwischen den einzelnen Anschlüssen der unterschiedlichen Bahnunternehmen eine bestimmte Mindestumsteigezeit vorliegt.

Leider geht die EU-Kommission im Entwurf der neuen Fahrgastrechteverordnung gerade dieses für Bahnfahrten quer durch Europa wichtige Thema nur halbherzig an. Enthalten sind lediglich umfangreichere Informationspflichten für Ticketverkäufer. Sie müssen die Kunden künftig besser darüber aufklären, dass ein Anspruch auf Entschädigung oder kostenlose Weiterfahrt mit einem anderen Zug bei einem Anschlussverlust ausgeschlossen ist.

Was hältst du von der Neufassung der europäischen Fahrgastrechteverordnung? Findest du es richtig, wenn künftig keine Entschädigung mehr bei Unwettern gezahlt wird? Ich freue mich auf deinen Kommentar.

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