Barrierefreiheit in der Bahn: „Es muss noch viel getan werden“

Die Barrierefreiheit bleibt für die Bahn in Deutschland weiterhin eine Herausforderung. Die Angleichung der Bahnsteige auf 76 cm reicht ohne entsprechende barrierefreie Fahrzeuge nicht aus. Chancen bietet zudem die Digitalisierung: Neue Apps zeigen defekte Aufzüge an oder informieren über Ansagen im Zug. Mehr dazu erfährst du in diesem Beitrag.

Oswald Utz vor einem barrierefreien Nahverkehrszug am Holzkirchner Flügelbahnhof in München.

Barrierefreiheit weiterhin eine große Herausforderung für die Bahn in Deutschland

„Es ist ein Schritt in die richtige Richtung“, sagt Oswald Utz anlässlich der Eröffnung des Holzkirchner Flügelbahnhofs in München, den die Deutsche Bahn gemeinsam mit dem Bund für knapp 15 Millionen Euro barrierefrei ausgebaut hat. Neben einem ebenerdigen Zugang und einem neuen Dach gibt es dort jetzt beispielsweise ein Leitsystem für Blinde und Gehörlose.

„Aber es muss trotzdem noch viel getan werden“, ergänzt der Grünen-Stadtrat und Behindertenbeirat der Stadt München. Dank der neuen 76 Zentimeter hohen und bis zu 300 Meter langen Bahnsteige können am Holzkirchner Flügelbahnhof jetzt zwar auch Fernverkehrszüge halten. Mit seinem Rollstuhl komme er in diese meist allerdings nicht ohne fremde Hilfe, erklärt Utz am Beispiel eines gerade eingefahrenen Nightjets der ÖBB.

„Bahn und Politik haben inzwischen zwar erkannt, dass Barrierefreiheit heute ein Muss ist“, sagt Utz. Für ihn sei die Höhe der Bahnsteige aber gar nicht so entscheidend, solange die Fahrzeuge hierauf nicht abgestimmt sind. Der Stadtrat fordert deshalb einen konsequenten Einsatz von behindertengerechten Fahrzeugen – auch im Fernverkehr. Andere Länder – wie etwa die Schweiz – seien hier schon deutlich weiter.

Zu Problemen könne auch die Umsteigezeit am Bahnhof führen, die die Bahn in ihrem Fahrplan zugrunde legt. Diese beträgt zum Beispiel für den Weg von der S-Bahn zum Fernverkehr am Hauptbahnhof in München rund zehn Minuten. „Mit meinem Elektrorollstuhl ist das zwar grundsätzlich möglich“, sagt Utz. Wenn allerdings mehrere Personen vor ihm am Aufzug warteten, verpasse er seinen Zug. Im Zweifel muss er deshalb von sich aus mehr Umsteigezeit einplanen.

Mobilitätsservice der Deutsche Bahn: Anmeldung im Voraus notwendig

Für Rollstuhlfahrer und Menschen mit Behinderung bietet die Deutsche Bahn einen Mobilitätsservice an, dessen Mitarbeiter zum Beispiel beim Ein- und Aussteigen an den Bahnhöfen helfen. Für Züge des Fernverkehrs stehen außerdem spezielle Hublifte bereit, mit denen ein Rollstuhl in den Wagen gehoben werden kann.

Der Mobilitätsservice lässt sich auf der Website der Bahn oder telefonisch unter 0180 6 512 512 (20 Cent pro Anruf aus dem Festnetz, maximal 60 Cent aus dem Mobilfunknetz) reservieren. Bei der Buchung musst du deine gewählten Züge samt der Wagen- und Sitzplatznummer angeben. Bei Fahrten im Nahverkehr genügt es, wenn du dem DB Mobilitätsservice mitteilst, ob du beispielsweise am Zuganfang oder -ende bist.

Im Fernverkehr ist der Einstieg oft nicht barrierefrei möglich.

Das große Manko: Den Mobilitätsservice der Deutschen Bahn musst du regelmäßig bis spätestens 20 Uhr am Tag vor der geplanten Reise buchen. Zudem ist der Service nicht an allen Bahnhöfen und zu jeder beliebigen Uhrzeit verfügbar. Eine spontane Reise mit der Bahn sei für ihn deshalb oft gar nicht erst möglich, erklärt Utz.

Eine Alternative ist dann höchstens die Fahrt mit barrierefreien Zügen des Nahverkehrs, da Rollstuhlfahrer in diese alleine ein- und wieder aussteigen können. Die größte Frage ist für den Grünen-Stadtrat in diesem Fall allerdings, ob er am Zielbahnhof überhaupt ohne fremde Hilfe auch wieder den Bahnsteig verlassen könne. Denn sofern der Bahnhof nicht barrierefrei ausgebaut ist, können Rollstuhlfahrer diesen gar nicht erst mit dem Zug anfahren.

Informationen zu defekten Aufzügen in den Apps DB Bahnhof Live und DB Barrierefrei

Zur Barrierefreiheit der Bahn gehören deshalb auch Aufzüge an allen Bahnhöfen. Doch selbst wenn diese vorhanden sind, gibt es Probleme, berichtet Oswald Utz. So funktioniere etwa an der Haltestelle Rosenheimer Platz in München aktuell zwar der Aufzug von der Oberfläche ins Mittelgeschoß, nicht aber der Aufzug von dort zum Bahnsteig.

In diesem Fall bleibt Utz nichts anderes übrig, als diese Station ganz zu meiden. Zudem dauere die Reparatur eines defekten Aufzugs teilweise deutlich zu lang, meint der Stadtrat. Daher müsse er sich vor jeder Fahrt nicht nur darüber informieren, ob grundsätzlich Aufzüge am Bahnhof vorhanden sind, sondern auch, ob diese funktionieren.

In der App DB Bahnhof Live siehst du defekte Aufzüge.

Hierbei hilft zum Beispiel die App DB Bahnhof Live. In dieser wählst du zunächst einen Bahnhof aus und erfährst dann, ob dort alle Rolltreppen und Aufzüge betriebsbereit sind. Die App umfasst dabei viele Bahnhöfe in ganz Deutschland – sowohl im Nahverkehr als auch im Fernverkehr. So kannst du deine Bahnfahrt bereits im Voraus besser planen.

Mit der aktuell in Entwicklung befindlichen App DB Barrierefrei geht die Deutsche Bahn sogar noch einen Schritt weiter: In dieser erfährst du künftig nicht nur den Status der Aufzüge und Rolltreppen, sondern es werden beispielsweise auch Durchsagen am Bahnhof und im Zug aufgelistet, sodass sich Gehörlose informieren können. Die App soll nach und nach weiter ausgebaut werden und so insgesamt zu einer besseren Barrierefreiheit der Bahn beitragen.

Welche Erfahrungen hast du mit dem DB Mobilitätsservice und der Barrierefreiheit in der Bahn gemacht? Ich freue mich auf deinen Kommentar.

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