Zugreisen statt Flugreisen: Schweizer wollen Nachtzüge stärken

Eine Stärkung der Bahn und mehr Zugreisen statt Flugreisen: Das fordern rund 100 Verbände in der Schweiz und übergeben in Bern eine Petition an die Verkehrsministerin. Ein Schweizer möchte außerdem mit einem eigenen Nachtzug-Angebot Nord-, Süd-, Ost- und Westeuropa miteinander verbinden. Mehr dazu erfährst du in diesem Beitrag.

Mehr Zugreisen statt Flugreisen fordern 100 Verbände in der Schweiz.

umverkehR fordert faire Besteuerung von Bahnreisen

Über 50 Bahnfans haben sich an einem Montagmorgen Anfang April im Rahmen der Nachtzug-Aktionswoche auf dem Bundesplatz im schweizerischen Bern eingefunden. Hier übergeben sie gemeinsam eine Petition an Verkehrsministerin Doris Leuthard, in der sie mehr Zugreisen statt Flugreisen und einen Ausbau des Nachtzugverkehrs fordern. Rund 100 Verbände unterstützen die Forderung.

Organisator der Veranstaltung für mehr Zugreisen statt Flugreisen ist neben der Koalition Luftverkehr, Umwelt und Gesundheit (KLUG) auch der Verein umverkehR. „Die tiefen Preise für Flugtickets bedeuten insbesondere für die klimafreundlichen Nachtzüge einen markanten Wettbewerbsnachteil. Dabei wird mit einer Zugreise das Klima um ein Vielfaches weniger stark belastet als bei einer Reise mit dem Flugzeug“, begründet Daniel Costantino von umverkehR die Petition.

Und Priska Seiler Graf von der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz (SP) fordert die Menschen dazu auf, bewusster mit der eigenen Mobilität umgehen. „Wir sagen nicht ‚nicht fliegen‘, aber bewusster und nicht zu oft“, erklärt die Nationalrätin und Co-Präsidentin von KLUG. Um dies zu erreichen, soll die Schweiz sich für eine europaweite Kerosinsteuer einsetzen und den Bahnverkehr insgesamt stärker fördern.

Hierzu gehöre auch der Ausbau des Nachtzugverkehrs, der eine klimafreundliche und bequeme Alternative zum Flugzeug sei. Da derzeit knapp 80 Prozent der Flüge aus der Schweiz zu einem Zielort innerhalb Europas erfolgten, könnten mehr Nachtzüge den Flugverkehr entsprechend verringern. Dass ein solches Alternativangebot dann auch tatsächlich genutzt wird, zeigen die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB): So zählt etwa die Linie von Zürich nach Berlin und Hamburg zu den beliebtesten Nightjet-Verbindungen.

Steuerliche Benachteiligung des Nachtzugs in Deutschland

Doch auch in Deutschland gibt es Nachholbedarf. Bereits bei einer Nachtzug-Konferenz Ende Januar in Brüssel wies ÖBB-Fernverkehrschef Kurt Bauer darauf hin, dass in Deutschland die Bahn steuerlich benachteiligt werde. So müssen Hotels nur ermäßigte 7 Prozent Umsatzsteuer für die Übernachtung abführen, während die Fahrt mit dem Nachtzug mit einheitlich 19 Prozent besteuert wird.

Daniel Costantino von umverkehR übergibt die Petition zu mehr Zugreisen statt Flugreisen.

Dies gilt ebenfalls, wenn es sich um einen grenzüberschreitenden Nachtzug handelt. Hier fallen dann auf den innerdeutschen Streckenabschnitt regelmäßig 19 Prozent Umsatzsteuer an. Eine Unterscheidung zwischen dem eigentlichen Zugticket und der Reservierung für den Bettplatz im Schlaf- oder Liegewagen gibt es hingegen nicht. Vielmehr werden sowohl die Übernachtungs- als auch die Beförderungsleistung jeweils gleich besteuert.

Schweizer möchte eigenen Nachtzug betreiben

Dass Nachtzüge trotz der aktuellen Benachteiligungen eine Zukunft haben, meint auch David Loher. Der Schweizer ist Zugbegleiter einer Schweizer Bahn und will künftig einen eigenen Nachtzug betreiben. Anlässlich der Demonstration für mehr Zugreisen statt Flugreisen stellte er seine Pläne vor und sprach mit verantwortlichen Politikern. Aktuell sucht er noch nach weiteren Mitstreitern, die ihn dabei unterstützen möchten.

Lohers Idee: Ein Nachtzug- und Autozug-Netzwerk mit dem Drehkreuz Neumünster. Von dort soll es dann Linien sowohl nach Südeuropa als auch nach Skandinavien sowie in die Niederlande und nach Polen geben. Welche Strecken tatsächlich realisiert werden, hänge auch von den aktuellen Nachtzugbetreibern ab, gegen die er nicht konkurrieren möchte. „Im Nachtzuggeschäft kann man nur überleben, wenn alle gemeinsam an einem Strang ziehen“, sagt er.

Der Schweizer Zugbegleiter David Loher plant eigene Nachtzüge durch Europa.

Auch entsprechendes Wagenmaterial hat David Loher bereits in Aussicht: Schlafwagen, die der Schweizer Hersteller Stadler ursprünglich für die Strecke von Baku nach Istanbul gebaut hat. „Die aserbaidschanische Eisenbahn kann diese Schlafwagen aktuell noch nicht abnehmen“, erklärt Loher. Daher möchte er mit Stadler darüber sprechen, ob er die fabrikneuen Wagen nicht in der Zwischenzeit für seinen Nachtzug nutzen könne.

David Loher ist selbst viel herumgekommen – natürlich mit der Bahn. So betreute er als Zugbegleiter etwa Reisende, die von China mit der Bahn entlang der Seidenstraße durch Kasachstan und Usbekistan zurück nach Europa fuhren. Neben deutsch, englisch und französisch spricht der Schweizer ebenfalls fließend italienisch und russisch und weiß daher, dass gerade viele Reisende aus dem Ausland die Nachtzüge in Europa besonders schätzen. Eben ganz nach dem Motto: Lieber Zugreisen statt Flugreisen.

Was hältst du von der Stärkung des Nachtzugverkehrs und damit mehr Zugreisen statt Flugreisen? Ich freue mich auf deinen Kommentar.

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