Mobilität der Zukunft: Bahn will Fahrplan dynamischer machen

Die Deutsche Bahn möchte künftig deutlich individueller auf Kundenwünsche eingehen können. Dazu gehören mehr Abteile, intermodale Reiseketten und ein dynamischer Fahrplan, bei dem die Züge nur dann fahren, wenn sie eine bestimmte Auslastung erreicht haben. Mehr zur Mobilität der Zukunft erfährst du in diesem Beitrag.

Bei einer Fahrt im ICE 4 sprachen Zukunftsforscher über die Mobilität der Zukunft.

So stellt sich die Deutsche Bahn die Mobilität der Zukunft vor

Die Deutsche Bahn glaubt, dass intermodale Reiseketten die Mobilität der Zukunft prägen werden. Hierbei nutzen Reisende ganz unterschiedliche Verkehrsmittel, um ans Ziel zu gelangen. So könnte die Reise etwa mit dem autonomen Bus in Bad Birnbach beginnen, danach in der Regionalbahn und im ICE weiterführen und schließlich mit der Fahrt mit dem E-Bike enden.

Julia Jaspers ist bei der Deutschen Bahn für die Zukunftsforschung zuständig. Ein großes Thema der Mobilität der Zukunft sei dabei nicht nur das autonome Fahren, sondern auch die Frage, ob es in zehn Jahren überhaupt noch einen festen Fahrplan geben wird. Stattdessen könnten sich nämlich auch On-Demand-Verkehre durchsetzen, sagt sie bei einem Vortrag von Zukunftsforschern im ICE 4.

Ein weiterer wichtiger Aspekt sei die Nachhaltigkeit. Dazu zähle neben der „Vergrünung des Fernverkehrs“ eine durchgehende Transparenz für den Kunden im Güterverkehr samt grüner Logistik. „Bis 2040 möchte die Deutsche Bahn komplett CO2-frei sein“, sagt Jaspers, die bei der Deutschen Bahn ebenfalls die Leiterin des Nachhaltigkeitsmanagements ist.

Bei nicht elektrifizierten Strecken setzt die Deutsche Bahn auf alternative Antriebstechniken wie etwa den Wasserstoff-Zug Coradia iLint. Zwar habe das Unternehmen diesbezüglich mit Alstom noch keine entsprechende Partnerschaft, der Zughersteller zeige aber großes Verständnis. „Alstom-Geschäftsführer Dr. Jörg Nikutta ist ein ehemaliger Mitarbeiter der Deutschen Bahn“, ergänzt Japsers.

Mehr Abteile: Der Zug als Ort der Begegnung

Die Mobilität der Zukunft soll außerdem individueller auf einzelne Kundengruppen zugeschnitten sein. Der Zug und der Bahnhof werden so zu einem Ort der Begegnung. Hierzu gehörten auch mehr Abteile in den Zügen. Viele Menschen würden heute nämlich auch „Reisen um zu Reisen“, meint Jaspers.

Bereits im Rahmen des Ideenzugs hat die Südostbayernbahn diesbezüglich einige interessante Konzepte vorgestellt. So gibt es etwa ein Fitnessstudio oder einen Yogaraum im Zug sowie die MyCabin – ein kleines Abteil, um ungestört arbeiten zu können. Auch ein eigenes Schlafabteil ist denkbar, in dem sich Pendler nach einen anstrengenden Tag ausruhen können.

Der Zug als Ort der Begegnung: Zum Beispiel beim gemeinsamen Fußballschauen.

Ein Konzept also, das so gar nicht zu den gerade erst in Betrieb genommen ICE 4 passen mag, die nur noch aus Großraumwagen bestehen und keinerlei echte Abteile mehr bieten. Zudem kritisieren Fahrgäste häufig die aus ihrer Sicht unbequemen Sitze im ICE 4. Hat die Bahn hier bei der Bestellung des neuen ICE die Zukunft also völlig falsch eingeschätzt?

„Nein“, meint Julia Jaspers. Wichtig sei, dass das Unternehmen ganz unterschiedliche Menschen anspreche. Der ICE 4 biete aktuell mehr Sitzplätze als die Vorgängermodelle, zudem müsse die jetzige Ausstattung ja nicht die nächsten 30 Jahre genau so bestehen bleiben. „Wir verändern beim Redesign immer wieder unsere Züge“, sagt sie und stellt in Aussicht, dass es deshalb künftig im ICE 4 wieder Abteile geben könnte.

Dynamischer Fahrplan: Züge fahren erst ab einer bestimmten Auslastung

Überraschend sind die Vorstellungen der Deutschen Bahn auch im Hinblick auf den Fahrplan der Zukunft. Dieser soll nämlich deutlich dynamischer werden. Unter dieses Stichwort fallen etwa On-Demand-Verkehre, bei denen der Fahrgast das jeweilige Verkehrsmittel bei Bedarf individuell anfordern kann.

Aber auch ganz neue Ideen bringt die Deutsche Bahn ins Spiel: So könnten Züge künftig erst dann fahren, wenn eine bestimmte Auslastung erreicht wurde. Realisieren ließe sich das zum Beispiel im Vorfeld durch ein Yield-Management, das nicht nur nach verschiedenen Preisen unterscheidet, sondern ebenfalls den Buchungsstart je nach Zug und Strecke individuell festlegt.

Julia Jaspers von der Deutschen Bahn spricht über die Mobilität von Morgen.

Ein solches Modell habe die französische Eisenbahn SNCF bereits vor zwei Jahren im Sommer getestet, sagt Jaspers. Dabei hätten die Kunden unterschiedlich bepreiste Verbindungen wählen und priorisieren können. Der Zug verkehrte allerdings tatsächlich nur dann, wenn eine bestimmte Auslastungsschwelle für die jeweilige Verbindung überschritten wurde.

Möglich sei ein solcher dynamischer Fahrplan auch aufgrund des Zugsicherungssystems ETCS, das etwa bei der Verbindung von München nach Berlin zum Einsatz kommt. Bei diesem könnten die Trassen individueller zugewiesen werden, erklärt Jaspers.

Zukunftsforscher wünscht sich mehr Nachtzüge

Individueller, umweltfreundlicher und autonomer: Wie wahrscheinlich sind solche Szenarien über die Mobilität der Zukunft? Zukunftsforscher Prof. Dr. Stephan Rammler von der Uni Braunschweig ist skeptisch. „Es herrscht teilweise eine große Bigotterie“, sagt er.

Zukunftsforscher Prof. Dr. Stephan Rammler wünscht sich mehr Nachtzüge.

Die Menschen zeigten zwar großes Interesse an Umweltschutz und klimafreundlichen Fahrzeugen, kauften sich dann aber trotzdem einen SUV. Und das, obwohl die Autos praktisch 23 Stunden am Tag herumstünden und meist nur von einer einzigen Person genutzt würden. Auch wegen der steigenden Urbanisierung sei dies volkswirtschaftlich nicht sinnvoll.

Zwar sind intermodale Reiseketten aus seiner Sicht durchaus wünschenswert. Realistischer sei es hingegen eher, dass der Individualverkehr weiterhin eine große Rolle spielt – wenn womöglich auch verstärkt autonom. Und noch etwas wünscht sich der Zukunftsforscher: „Mehr Nachtzüge – und zwar nicht nur von den ÖBB, sondern auch wieder von der Deutschen Bahn.“ Im ICE 4 erntet Rammler für diese Aussage spontanen Applaus.

Was meinst du: Wie wird die Mobilität der Zukunft aussehen? Ich freue mich auf deinen Kommentar.

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