Bahnfahren zu billig: Bundesregierung fordert teurere Ticketpreise

Der Bahnbeauftragte der Bundesregierung kritisiert zu günstige Bahntickets. Die Rabatt-Angebote der Deutschen Bahn müssten auf den Prüfstand. Die Folge: Bahnfahren würde teurer werden. Vor einigen Monaten hatte sich der Verkehrsstaatssekretär allerdings noch ganz anders geäußert. Mehr dazu erfährst du in diesem Beitrag.

Enak Ferlemann (rechts) bei der Premiere des Flixtrain Berlin-Stuttgart (ab 9,99 Euro).

Enak Ferlemann will Bahntickets jetzt doch teurer machen

Enak Ferlemann ist Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium und dort seit vielen Jahren hochgeschätzt. Immer wieder setzt er sich für die Eisenbahn in Deutschland ein – wie etwa Ende April, als er an der Premierenfahrt des Flixtrain von Berlin nach Stuttgart teilnahm. „Viele Fahrgäste“, wünschte der CDU-Politiker damals dem neuen grünen Konkurrenten der Deutschen Bahn und sicherte ihm die Unterstützung der Bundesregierung für weitere Verbindungen zu.

Durch mehr Konkurrenz im Schienenverkehr könnten die Ticketpreise für die Fahrgäste nämlich sinken, sagte Ferlemann damals. Knapp fünf Monate später scheint er von dieser Idee jetzt allerdings doch wieder abgerückt zu sein. Im Gespräch mit der Welt bemängelt er stattdessen das Rabattsystem der Deutschen Bahn.

„Im Fernverkehr steigen die Passagierzahlen zwar, aber die Gewinne sinken. Ich bin überrascht darüber, wie viele Rabatte angeboten werden“, sagt der Bahnbeauftragte der Bundesregierung heute. Mit dem aktuellen Preismodell ließen sich die Kosten nicht mehr decken. Heißt also: Ferlemann will Bahntickets in Deutschland für viele Reisende künftig teurer machen.

Deutsche Bahn kämpfte jahrelang gegen das Teuer-Image

„Das Rabattsystem muss auf den Prüfstand“, fordert der Verkehrsstaatssekretär in der Welt. Womöglich profitierten von all den Sparpreisen und Sonderrabatten nur einige Wenige, während die Mehrheit dafür einen höheren Normalpreis zahlen müsse. Tatsächlich wurden die günstigen Tickets von der Deutschen Bahn aber gerade als Reaktion auf die Öffnung des Fernbusmarktes eingeführt.

Zudem kämpfte die Deutsche Bahn jahrelang gegen das Teuer-Image. Schuld daran war auch die Darstellung in der Fahrplanauskunft, die den teuren Flexpreis mitunter hervorhob. In der Berichterstattung wurde statt der ebenfalls erhältlichen günstigen Sparpreise gerade bei Preisvergleichen häufig auf den Flexpreis abgestellt. Inzwischen werden die Sparangebote der Bahn deutlich prominenter hervorgehoben.

Die Einführung des Sparpreis Aktion für 17,90 Euro brachte der Bahn seit dem Jahr 2015 außerdem eine Vielzahl neuer Fahrgäste. Die Auslastung stieg durch das mittlerweile deutlich stringentere Yield-Management ebenfalls, während der Umsatz pro Personenkilometer im Fernverkehr gleichzeitig weitgehend stabil blieb. Dieser beträgt in den vergangenen Jahren jeweils um die 9,2 Cent pro Kilometer.

Mit dem überarbeiteten Tarifsystem und dem neuen Super Sparpreis hat die Deutsche Bahn darüber hinaus erst zuletzt – für viele Medien fast unbemerkt – eine Preiserhöhung durchgeführt. So ist das City-Ticket jetzt zwar im Sparpreis und Flexpreis stets enthalten, nicht aber im Super Sparpreis ab 17,90 Euro. Zudem werden auf Strecken über 250 Kilometer die 17,90 Euro-Tickets gar nicht erst angeboten, sobald ein Nahverkehrszug in der Verbindung enthalten ist. Die Deutsche Bahn nennt für diese Maßnahme „wirtschaftliche und unternehmerische Gründe“.

Die Abschaffung von Billig-Tickets ist nicht die Lösung für die Probleme der Deutschen Bahn

Die Kritik des Bahn-Beauftragten der Bundesregierung, Enak Ferlemann, mag zwar insoweit zutreffen, dass die vielen unterschiedlichen Sparangebote und Gutscheine der Bahn zu einer Intransparenz führen können. Gleichzeitig sollte aber bedacht werden, dass die Abschaffung dieser Billig-Tickets das Ziel der Bundesregierung, die Fahrgastzahlen bis 2030 zu verdoppeln, gefährdet.

Dies zeigt ausgerechnet der Blick auf eines der Vorzeigeländer in Sachen Bahnfahren: die Schweiz. Dort gibt es traditionell ein äußerst transparentes Tarifsystem, mit festgelegten Preisen für alle öffentlichen Verkehrsmittel. Obwohl die Bevölkerungszahl dort wächst, stagnierten die Fahrgastzahlen der SBB im vergangenen Jahr und waren im ersten Quartal 2018 sogar rückläufig.

Die SBB reagierten auf diesen Umstand und führten zunächst Sparbillette mit bis zu 70 Prozent Rabatt ein. Für die Zukunft denken die Schweizer Bundesbahnen inzwischen sogar über ein Tarifsystem nach, das sich stärker an der Nachfrage und dem Komfort in den einzelnen Zügen orientiert. Was also jetzt in Deutschland kritisiert wird, scheint für die Bahn in der Schweiz ein Zukunftsmodell zu sein.

Und schließlich sollte ebenfalls berücksichtigt werden, dass die prekäre Lage der Deutschen Bahn nicht unbedingt auf die Preise im Fernverkehr zurückzuführen ist, sondern auf die Verluste von Ausschreibungen im Nahverkehr sowie in der Cargo-Sparte. Jedenfalls für Letztere hätte die Bundesregierung genügend politische Gestaltungsspielräume, um die Lage im Güterverkehr zu verbessern. Die Forderung nach teureren Bahntickets ist hier jedenfalls nicht zielführend.

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