Deutsche Bahn möchte führerlose Züge bis Anfang 2017 genehmigen lassen
Es war eines der Top-Themen der diesjährigen InnoTrans: führerlose Züge. Auf der weltgrößten Eisenbahnmesse hat die Deutsche Bahn jetzt ihre Pläne genauer vorgestellt. Schon im nächsten Jahr soll die Genehmigung durch das Eisenbahnbundesamt vorliegen und erste Testfahrten beginnen. Mehr zu den autonomen Zügen der Bahn erfährst du in diesem Beitrag.
Autonome Züge: Eisenbahnbundesamt soll Genehmigung im Frühjahr 2017 erteilen
Wer in diesem Jahr die InnoTrans besuchte, konnte den Eindruck gewinnen, als gäbe es nur zwei wichtige Themen im Eisenbahnsektor: Digitalisierung und führerlose Züge. Spätestens seit die Deutsche Bahn angekündigt hat, einen Testbetrieb bei der Erzgebirgsbahn zu planen, ist der Hype ungebrochen.
Kein Wunder also, dass der Konzern auch auf der wichtigsten Eisenbahnmesse der Welt ausgiebig über die Pläne sprach und einige neue Details verriet. So soll schon im nächsten Sommer der erste führerlose Testzug auf einer kurzen Strecke der Erzgebirgsbahn verkehren. An der Umsetzung dieses sogenannten Demonstrators werde bereits seit Jahresbeginn intensiv innerhalb einer neu gegründeten Projektgruppe gearbeitet.
Derzeit beschäftige sich die Deutsche Bahn vor allem mit den notwendigen Voraussetzungen für eine Genehmigung durch das Eisenbahnbundesamt. Die Behörde begleite die Pläne der Bahn konstruktiv, wobei das Thema Sicherheit verständlicherweise an erster Stelle stehe, hieß es vonseiten des Unternehmens auf der InnoTrans 2016. So müsse der Triebfahrzeugführer beispielsweise jederzeit vollen Zugriff auf den geplanten Demonstrator haben und ihn stets selbstständig stoppen können.
Dabei sei nicht nur die technische Entwicklung des autonomen Zuges eine Herausforderung, sondern auch die rechtliche Umsetzung. Die Bahn geht etwa davon aus, dass sowohl in Deutschland als auch in der Europäischen Union entsprechende Vorschriften geändert werden müssten. Man hoffe aber, eine Genehmigung für den Demonstrator auch ohne gesetzgeberische Eingriffe zu erhalten. Das Unternehmen strebe diese für das Frühjahr 2017 an, damit der Betrieb des ersten führerlosen Zuges dann im Sommer beginnen könne.
Deutsche Bahn entwickelt führerlose Züge in Zusammenarbeit mit Autohersteller
Die Deutsche Bahn möchte das Projekt jedoch nicht alleine umsetzen, sondern hat sich Unterstützung aus der Automobilbranche geholt. So arbeite ein »großer Autohersteller, der bereits reichlich Erfahrung mit autonomen Fahrzeugen gesammelt hat«, an der Umsetzung des ersten führerlosen Zuges mit.
Der Grund für die Zusammenarbeit: Die Bahn möchte bei der Objekt- und Signalerkennung von den bisherigen Entwicklungen der Automobilbranche profitieren. Durch die Kooperation könne man außerdem einen gemeinsamen Standard für autonome Fahrzeuge etablieren, heißt es. Deshalb wolle die Deutsche Bahn das Thema auch nicht an die Zughersteller abgeben.
Das Unternehmen befürchtet nämlich, dass die »einzelnen Triebwagenhersteller sonst auf proprietäre Standards setzten«. Hierdurch bestünde die Gefahr, dass sich die Bahn von einem einzigen Hersteller abhängig mache. »Zudem würden womöglich unsere Anforderungen nicht erfüllt«, erklärte das Unternehmen auf der InnoTrans.
Einen weiteren Grund für die schnelle Entwicklung von führerlosen Zügen in Deutschland führt Dr. Josef Doppelbauer, Direktor der Europäischen Eisenbahnagentur, an: »Die Autolobby will uns die Standards aufdrücken und die gesamte für den Betrieb notwendige Mobilfunk-Bandbreite alleine abschöpfen.« Deshalb müssten auch die Eisenbahnunternehmen handeln, wenn sie nicht ins Hintertreffen geraten wollten.
Entwicklung schreitet im Eisenbahnbereich häufig nur langsam voran
Und noch etwas anderes treibt die Deutsche Bahn an: der Faktor Zeit. »Wenn wir die autonomen Züge nicht selbst umsetzen, würden die Hersteller vielleicht zu lange für diese Entwicklung benötigen«, hieß es diesbezüglich auf einer InnoTrans-Veranstaltung des Unternehmens. Dieses Risiko könne das größte Eisenbahnunternehmen Europas nicht eingehen. »Schließlich konkurrieren wir mit unseren autonomen Zügen mit der Automobilbranche«, sagt die Deutsche Bahn.
Zustimmung kommt ebenfalls vom Vorsitzenden der Knorr-Bremse Systeme für Schienenfahrzeuge GmbH, Dr. Martin Lange, der den Zeitraum zwischen Entwicklung und Einsatz neuer Systeme kritisiert: »Bis zur Einführung der leisen Flüsterbremsen mit LL-Sohle vergingen zum Beispiel mehr als 15 Jahre«, sagt er.
Auch in anderen Bereichen hinkt Deutschland hinterher: So seien hierzulande bisher lediglich rund 70 Kilometer Strecke mit ETCS Level 2 ausgestattet, ergänzt Doppelbauer. Das Zugsicherungssystem sei aber eine der ersten Voraussetzungen für autonomes Fahren, auch wenn es noch weiter ergänzt werden müsse. Zudem gebe es kaum eine modulare Bauweise, weshalb die Einführung neuer Technologien nur schwer nachträglich möglich sei. »Die Bahn möchte beispielsweise den ICE 4 die nächsten 30 Jahre nutzen.«
Bahn-Chef Grube: »Kein Lokführer verliert durch autonome Züge seinen Arbeitsplatz«
Für den Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bahn AG sind autonome Züge keine revolutionäre, sondern nur eine evolutionäre Entwicklung. »Kein Lokführer muss deshalb befürchten, morgen arbeitslos zu sein«, sagte Dr. Rüdiger Grube auf der InnoTrans. In Deutschland sei es schon aufgrund des offenen Systems sehr schwierig, überall führerlose Züge einzusetzen.
Die Mitarbeiter müssten bei den weiteren Schritten des Unternehmens aber jeweils voll einbezogen werden. So habe es ein Treffen mit dem Projektleiter der Erzgebirgsbahn und einigen Lokführern gegeben, die große Bedenken gegen die führerlosen Züge geäußert hätten. »Nach dem Treffen meinte niemand ›das unterstützen wir nicht‹«, sagte der Bahn-Chef.
Vor allem im Güterverkehr sieht Grube viele Vorteile für autonome Fahrten: geringere Kosten, höhere Effizienz und damit eine bessere Wettbewerbsfähigkeit im Vergleich zu den Lkw als größten Konkurrenten der Bahn. »In den USA fahren Lkw schon heute voll autonom.« Mit einem Unified-System könnten Züge zudem einfach per Tablet gesteuert werden, sagt auch Lange. »Das ist eine neue Stufe der Systemintegration.«
»Debatte um führerlose Züge ist Science-Fiction«
Kritischer hingegen sieht Werner Faber den gegenwärtigen Hype um die führerlosen Züge. Der Managing Director des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) betont, dass es in Deutschland weitaus größere Probleme im ÖPNV gebe als den Einsatz von autonomen Fahrzeugen. »Das ist eine Science-Fiction-Debatte«, sagte Faber beim 10. ÖPNV-Forum auf der InnoTrans.
Was hältst du von der Entwicklung von führerlosen Zügen? Ich freue mich auf deinen Kommentar.
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Hi,
grundsätzlich befürworte ich jede Art von Fortschritt und führerlose Züge sind einfach nur eine Frage der Zeit. In Nürnberg haben wir bereits seit längerem eine führerlose U-Bahn und das läuft reibungslos. Den Worten von Herrn Grube möchte ich gerne glauben schenken, dass kein Lokführer seinen Arbeitsplatz verliert und sich dieser lediglich in andere Tätigkeiten verlagert. Ich habe jedoch Befürchtung das es auch Verlierer geben wird, ich bin der Meinung das die Industrie 4.0 uns sehr viele Arbeitsplätze kosten wird und umso mehr sehe ich hier die Arbeitgeber in der sozialen Pflicht. Wir werden sehen wie das das ausgeht.
Hallo Oliver,
vielen Dank für deinen Kommentar.
Gerade unter den Stichworten Industrie 4.0 oder Digitalisierung 4.0 wird meiner Meinung nach jeder Menge Mist veranstaltet. Ich habe den Bericht über die autonomen Züge geschrieben, weil ich das Thema einfach sehr spannend finde. Im Übrigen glaube ich persönlich, dass uns da vor allem die Asiaten sehr schnell abhängen werden. Dort ist die Einstellung zu Mensch/Maschine einfach eine ganz andere als in Europa oder auch Nordamerika. Es gab auf der InnoTrans zum Beispiel einen Vortrag über LTE-R und ein neues Zusicherungssystem in Korea, das bereits voll für autonome Züge ausgelegt ist. Die (deutschen) Zuhörer haben da nur gestaunt ;-)
Noch etwas zu Industrie 4.0/Digitalisierung 4.0: Man muss da immer abwägen, denn es gibt sicher auch interessante Ansätze. Der Leiter des Gesundheitsmanagements der Deutschen Bahn meinte zum Beispiel, dass er heute Lokführer, die an Diabetes Typ 1 erkrankten, nicht mehr arbeitsfähig schreiben kann. Könnten deren Gesundheitswerte hingegen während der Arbeit (digital) erfasst und ausgewertet werden, wäre das aber kein Problem mehr.
Viele Grüße,
David