Verschärfte Zugabfertigung: Türen schließen künftig früher
Neues vom Projekt „Zukunft Bahn“: Die Deutsche Bahn möchte ihre Züge pünktlicher losfahren lassen. Hierzu gibt es ab Mitte Oktober jetzt eine „verschärfte Zugabfertigung“. Was es damit genau auf sich hat und warum du künftig früher am Bahnsteig sein musst, liest du in diesem Beitrag.
Abfahrt künftig auf die Minute genau
Bisher war es so: Im Fahrplan der Deutschen Bahn stand eine bestimmte Abfahrtszeit. Bis diese tatsächlich erreicht wurde, konntest du problemlos einsteigen. Erst mit Erreichen der Abfahrtsminute schlossen auch die Türen. Deshalb konntest du theoretisch noch um 11:11:59 Uhr zusteigen, wenn der Zug laut Fahrplan um 11:12 Uhr losfuhr.
Ab 17. Oktober möchte die Deutsche Bahn das ändern und eine sogenannte „verschärfte Zugabfertigung“ einführen: Dann sollen die Züge bereits anrollen, wenn die Abfahrtsminute erreicht ist. Um dies zu erreichen, werden die Türen bis zu 30 Sekunden vor der im Fahrplan angegebenen Zeit geschlossen. Kommst du im obigen Beispiel also erst um 11:11:50 an den Zug, wirst du leider nicht mehr mitgenommen.
Laut einem Bericht der Süddeutschen Zeitung sollen die Türen sogar bis zu 40 Sekunden früher schließen. Dies sei aber nicht richtig, erklärte eine Bahnsprecherin dem Zugreiseblog auf Nachfrage.
Pilotprojekt: Verschärfte Zugabfertigung in Köln und Hannover
Die neue Zugabfertigung wird bereits seit dem 25. April am Hauptbahnhof in Köln und Hannover getestet. Dort betrifft sie nur die Fernverkehrszüge, also ICE, IC und EC. Eine Ausweitung auf Regionalzüge ist derzeit nicht geplant, wie eine Bahnsprecherin erklärte. Die kürzeren Umsteigezeiten würden zudem bei der Fahrplanauskunft nicht berücksichtigt, da das modifizierte Abfertigungsverfahren nur einige wenige Fahrgäste beim Umstieg betreffe.
Mit dem Verfahren will das Unternehmen die Pünktlichkeit der Züge spürbar erhöhen. Bisher war es nämlich beispielsweise so, dass teilweise noch sehr lange gewartet werden musste, bis die Türen tatsächlich schließen konnten. Nach Aussagen der Deutschen Bahn setzen sich die Züge bisher deshalb oft erst eine halbe Minute nach der planmäßigen Abfahrtszeit in Bewegung. Mit der verschärften Zugabfertigung sollen insbesondere Engpässe in den Verkehrsknoten weniger werden.
Ob die Pünktlichkeit der Bahn hierdurch tatsächlich steigt, wird sich zeigen. Genaue Zahlen hinsichtlich des Pilotprojekts in Köln und Hannover lagen zu Beginn des Sommers noch nicht vor. Nachdem das Verfahren aber offenbar positiv verlaufen ist, möchte die Deutsche Bahn es jetzt tatsächlich deutschlandweit einführen.
Abfahrtszeit und Fahrgastrechte
Bei der Änderung der Abfertigung der Züge stellt sich natürlich sofort die Frage, ob dies möglicherweise die Fahrgastrechte betrifft. Denn man könnte argumentieren, dass ein Zustieg auch tatsächlich bis zur im Fahrplan angebenden Abfahrtsminute möglich sein muss. Auf Twitter meinte die Deutsche Bahn diesbezüglich, dass Abfahrt nunmal bedeute, dass der Zug auch abfahre und nicht, dass dann erst die Türen schlössen.
Praktisch sollte sich das Problem aber einfach lösen lassen: Die Deutsche Bahn müsste ihren Fahrgästen lediglich eine 30-sekündige frühere Abfahrtszeit mitteilen. Dann bestünde auch nicht die Gefahr, dass jemand vor verschlossenen Zugtüren steht. „Das wird eine große Herausforderung für unsere Kunden“, meint deshalb auch ein Bahn-Mitarbeiter in Köln.
Noch frühere Zugabfertigung in Frankreich
Mit dem verschärften Abfertigungsverfahren steht die Deutschen Bahn nicht alleine da. In Frankreich musst du beispielsweise spätestens zwei Minuten vor der im Fahrplan angegebenen Abfahrtszeit einsteigen. Nur bis zu diesem Zeitpunkt wird eine Mitnahme auch tatsächlich seitens der SNCF garantiert. In England schlössen die Türen bei Arriva zudem 40 Sekunden vor Abfahrt.
Man wolle sich auch den internationalen Standards anpassen, heißt es deshalb auch von der Deutschen Bahn. Ein solches sehr restriktives Modell wie in Frankreich möchte die Bahn in Deutschland aber nicht einführen. Trotzdem heißt es demnächst: Bitte 30 Sekunden früher einsteigen.
Was hältst du von der verschärften Zugabfertigung der Deutschen Bahn? Glaubst du, dass hierdurch die Pünktlichkeit steigt?
Wenn du keinen Artikel mehr zu Bahnreisen in Deutschland verpassen willst, dann hol dir jetzt meinen gratis Newsletter! Du kannst mir auch auf Facebook und Twitter folgen.
Was soll das bringen? Der Zug fährt halt um 40 Sekunden versetzt mit Verspätung. Die Probleme bleiben doch die gleichen: marode Infrastruktur (die uns noch lange begleiten wird, aber man tatsächlich daran arbeitet), Minimalstinstandhaltung und fehlende Überholungsmöglichkeiten. Mehr würde tatsächlich bringen, die Fahrzeitpuffer aus der Fahrzeit in die Bahnhöfe zu verlegen, was ja mal angekündigt wurde. Wird das noch weiter verfolgt?
Jaja, die bösen Kunden! Aber so ist es halt im Leben, wenn man mit den eigenen Problemen nicht fertig wird, muß halt jemand her , auf den man draufhaun kann! Etwas konkreter: Was nutzen die 40 Sekunden, wenn beispielsweise in Frankfurt das Stellwerk wieder mal nicht fuktioniert und man ne halbe Stunde im Zug warten muß, bis der losfährt? Wir brauchen keine 40 Sekunden, wir brauchen verantwortungsbewußte Entscheidungsträger bei der Bahn, die sich den wirklichen Problemen stellen und nicht den Kunden, welcher schließlich mit seinem Geld diese ganze Firma finanziert, noch die ganze Schuld auflädt! Und wie wärs übrigens , wenn man die Züge mal rechtzeitig bereitstellt und dann auch die Türen öffnet, daß die Leute in Ruhe rechtzeitig einsteigen können!
Im Regionalverkehr mit Haltezeiten von größteils nur 30 Sekunden (lt. Fahrplan) gar nicht möglich.
Davon würde ich auch ausgehen, leider hat die DB meine Anfrage diesbezüglich nicht beantwortet.
Update:
Die Deutsche Bahn hat mir heute (6. Juni) geantwortet, dass das Pilotprojekt nur Fernverkehrszüge betreffe. Zudem sei noch nicht sicher, ob es deutschlandweit eingeführt werde.
Darüber hinaus schlössen die Türen nicht – wie von der Süddeutschen Zeitung berichtet – 40 Sekunden vor der planmäßigen Abfahrtszeit, sondern nur 30 Sekunden vorher und damit 20 Sekunden früher als bisher. Ich habe die Aussagen der Bahn-Sprecherin diesbezüglich im Beitrag ergänzt.
Ich kann nicht nachvollziehen, dass sich bisher Türen vor der fahrplanmäßigen Abfahrtszeit schlossen. Das gibt m.E. auch die Vorschriftenlage nicht her. Natürlich gibt es schon mal Zugbegleiter, die etwas voreilig sind – bei Blick auf einen leeren Bahnsteig ist das ja ggf. auch ok.
Wenn ich die Bahnsprecherin richtig verstehe, sieht die „Abfertigungsuhr“ bisher vor, dass circa 10 Sekunden vor Abfahrt die Türen geschlossen werden und pünktlich zum Zeigersprung losgefahren wird. Das klappt aber ganz offensichtlich nicht. Deshalb soll die Türschließung jetzt 20 Sekunden früher, also 30 Sekunden vor Zeigersprung geschehen.
Ob das geschilderte bisherige Verfahren mit den internen Vorschriften übereinstimmt, weiß ich nicht, weil ich mich damit nicht auskenne.
Das ist totaler Humbug. Die DB entfernt sich wieder ein Stück von der Kundenorientierung. Allein schon die negative Wirkung in der öffentlichen und veröffentlichten Meinung würden normale Firmen von solch einem Schritt abhalten. Aber bei der DB lebt man wohl nach dem Motte „ist der Ruf erst ruiniert …“. Wirklich erschreckend ist, dass offensichtlich bereits das mittlere und untere Management den Kontakt zu den Kunden und ihren Bedürfnissen verloren hat.
Wo ist das Problem? Sowas gab es früher schon ist aber irgendwie komplett eingeschlafen. Als Alt-Eisenbahner lernten wir früher die Achtung vor der Sekunde und genau da muss es wieder hingehen, auch wenn ich persönlich dadurch eventuell mal einen Zug später fahren muss.
In Spanien werden bei den Fernverkehrszügen der Zugang zum Bahnsteig bereits 2 Minuten vor Abfahrt gesperrt. Da man vorher noch durch eine Sicherheitskontrolle muss. Das System funktioniert aber, die Züge sind super pünktlich. Ich glaube genau dieses System sollte die Bahn umsetzen, dass nur jene mit einem gültigen Ticket für exakt diesen Zug auch auf den Bahnsteig dürfen. Aber das bedarf natürlich größere Bahnhofsgebäude und die in den Kommentaren erwähnte fehlende Infrastruktur.
Die 30 Sekunden alleine werden nicht viel ausrichten, zumal eine Regel auch nur so viel bringt wie sie dann tatsächlich umgesetzt wird. Und wie oft wartet das Personal noch mehrere Minuten auf anrennende Fahrgäste
Ich finds super: Es werden doch immer die Vergleiche mit Japan gezogen — dann sollen sich auch die Reisenden mal so verhalten wie in Japan und nicht nur auf die Bahn schimpfen.
Allerdings gibt es S-Bahn-Stationen in der Nähe von großen DB Büro-Standorten, bei denen alle 5 Minuten eine Bahn fährt, und nicht wenige der Türaufhalter einen bestimmten Konzernausweis haben… Da geht auch noch was.
Ich weiß jetzt nicht, ob Reindrücken in völlig überfüllte Wagen in Deutschland so gut ankommen würde ;-)
https://www.youtube.com/watch?v=b0A9-oUoMug
Aus Kundensicht ist die Abfahrtszeit eines Zuges der Zeitpunkt, wo sich die Tür schließt und nicht der Zeitpunkt, wo sich der Zug in Bewegung setzt.
Bei den Fahrgastrechten soll es ja künftig genauso gehandhabt werden, dass als Ankunftszeit eines Zuges der Zeitpunkt gilt, an dem sich die Türen öffnen; Eine klemmende Tür, die erst 5 Minuten später aufgeht, zählt demnach als VErspätung des Zuges.
Ich habe nichts gegen die Idee der verschärften Zugabfertigung an sich – aber im Interesse des Kunden sollte im Fahrplan, den der Kunde bekommt, auch die richtige Abfahrtszeit eingetragen werden, am besten mit ein paar Sekunden Reserve. Ein Zug, der sich um 11:11:00 Uhr in Bewegung setzt und um 11:10:30 seine Türen schließt, sollte demnach im Kundenfahrplan mit einer nominalen Abfahrtszeit von 11:10 Uhr ausgewiesen werden.
Mit der „verschärften Zugabfertigung“, die bestenfalls ein paar Sekunden Zeitgewinn bringen kann, stellt die Bahn Passagiere, die „auf den letzten Drücker“ kommen, als die großen Verspätungsfaktoren hin. Besser wäre es, sie würde mal die Kern-Ursachen ihrer Unpünktlichkeit wirksam angehen: technische Störungen am Zug und an der Strecke, Wetteranfälligkeit etc. Vor allem aber: Schon angesichts der manchmal (planmäßig oder verspätungsbedingt) knappen Umsteigezeit zwischen zwei Zügen ist es unfair, dem Fahrgast hier zusätzliche Steine in den Weg zu legen. Was kann der Fahrgast dafür, wenn er z. B. (nominell) nur vier Minuten Zeit zum Umsteigen hat, weil wieder mal ein Zug Verspätung hatte – und nur diese Verspätung der Grund ist, warum er erst 20 Sekunden vor der Abfahrt angerannt kommt? Ist es fair, diesem Fahrgast dann die Tür vor der Nase zuzuschlagen?
Zum Vergleich mit anderen Ländern: Zumindest von Spanien weiß ich, dass dort wenigstens schon auf dem Fahrschein darauf hingewiesen wird, dass der Zugang zum Zug zwei Minuten vor Abfahrt geschlossen wird. Auf DB-Tickets gibt es noch nicht mal einen entsprechenden Hinweis. Wobei der nichts daran ändern würde, dass die „verschärfte Abfertigung“ – gemessen an ihrem zu vermutenden Beitrag zur Pünktlichkeit – unsinnig ist und für unnötige Komplikationen sorgen kann.
Ergänzung: Wenn die Bahn schon deutlich vor Erreichen der Abfahrtsminute mit der Türschließung beginnen will, dann muss es zumindest an den Stellen, wo danach noch Passagiere auftauchen könnten, Zustiegsmöglichkeiten bis zur letzten Sekunde geben: in Höhe der Auf- bzw. Abgangstreppen zum Bahnsteig sowie (in Kopfbahnhöfen) am Beginn des Bahnsteigs. An diesen Stellen müssen sich dann halt Zugbegleiter hinstellen, die „ihre“ Tür bis zuletzt offen halten. Stehen an diesen Türen keine Zugbegleiter bereit oder machen auch sie vorzeitig „dicht“, ist das ein No-Go. Nicht zuletzt, da der Fahrgast – wie gesagt – nicht immer selbst daran schuld ist, wenn er „auf den letzten Drücker“ ankommt.