Belgien möchte europaweit Bahnfahrer erfassen
In Belgien werden ab dem neuen Jahr Bahnreisende in einer Datenbank erfasst. Aber der belgischen Regierung geht das nicht weit genug: Nach dem Anschlag auf einen Berliner Weihnachtsmarkt erhofft sie sich jetzt auch die Zustimmung Deutschlands zu diesem Projekt.
Nationale Bahndatenbank in Belgien ab 2017
Wer ab dem nächsten Jahr einen Zug in Belgien nutzt, landet in einer landesweiten Passagierdatenbank. Einen entsprechenden Gesetzesvorschlag hat das belgische Parlament kurz vor Weihnachten verabschiedet. Erfasst werden dabei unter anderem genaue Passagierdaten, Zahlungsdaten sowie die gebuchten Züge inklusive der jeweils zugewiesenen Sitzplätze. Zunächst sind jedoch offenbar nur die Schnellfahrstrecken betroffen.
Hintergrund der Maßnahme sind die Terroranschläge in Paris und Brüssel. Nach dem Anschlag auf einen Berliner Weihnachtsmarkt erhöht Belgien jetzt den Druck und fordert eine entsprechende Datenbank auch für Züge in Europa. Nach dem verabschiedeten Gesetz dürfen die gesammelten Daten zudem auch an Behörden in Ländern außerhalb Europas übermittelt werden.
ZRB-Kurzinfo: Diese Daten sammelt Belgien von Bahnfahrern | |
Datum der Buchung der geplanten Reise | Details zu allen Mitreisenden |
Vollständiger Name, Geschlecht und Geburtsdatum der Reisenden | Allgemeine Informationen (insbesondere bei Minderjährigen: Angaben zu den Eltern, Muttersprache und andere Sprachkenntnisse) |
Anschrift, Telefonnummer und E-Mail-Adresse der Reisenden | Ticketnummer inklusive weiterer Details |
Daten zum Ausweis der Reisenden (Nummer, Staatsangehörigkeit, Gültigkeit) | Wagen- und Sitzplatznummer |
Angaben zum verwendeten Zahlungsmittel und Rechnungsanschrift | Informationen zum mitgeführten Gepäck (Anzahl, Gewicht, Gepäcknummer) |
Informationen zum Vielfahrerprogramm (BahnBonus-Nummer) | gebuchte Verbindung (Zugnummer, Start- und Zielbahnhof, Abfahrts- und Ankunftszeit, Grenzübertrittspunkte) |
Angaben, wo das Ticket gebucht wurde (Bahnunternehmen, Reisebüro, Agentur) | Änderungshistorie zu den vorliegenden Daten |
Angaben zum Bahnunternehmen | alle bisher gespeicherten Passagierdaten |
Neben der Passagierdatenbank für alle Bahnfahrer hat das Land zudem die Sicherheit an den größten Bahnhöfen verschärft: So sollen ab Anfang 2017 in Brüssel, Lüttich und Antwerpen weitreichende Passagier- und Gepäckkontrollen stattfinden. Wie in der Vergangenheit in Frankreich werden dort dann spezielle Sicherheitsschleusen mit Metalldetektoren, Röntgengeräte und Kameras eingesetzt.
Darüber hinaus möchte die belgische Regierung diese Maßnahmen nochmals ausweiten. So soll beispielsweise verstärkt auf automatische Gesichtserkennung gesetzt werden. Rund 14 Millionen Euro investiert das Land in dieses Projekt allein im Jahr 2017.
Belgien fordert Passagierdatenbank für alle Züge in Europa
Aber die nationale Bahndatenbank geht Belgien noch nicht weit genug: Stattdessen sollen die Daten aller Bahnfahrer in Europa gespeichert werden. Einen entsprechenden Vorschlag möchte die belgische Regierung bei der nächsten EU-Innenministerkonferenz einbringen.
So sollen in einem ersten Schritt die Daten von Passagieren in internationalen Hochgeschwindigkeitszügen übermittelt werden. Zudem fordert Belgien, alle Bahnfahrer in der Datenbank zu erfassen, die mit grenzüberschreitenden Regionalzügen unterwegs sind. Die Bahnunternehmen sollen die Daten ihrer Fahrgäste 24 Stunden vor der Fahrt selbst liefern. Möglich ist dies praktisch nur durch personalisierte Tickets.
Der belgische Innenminister Jan Jambon hofft dabei insbesondere auf die Unterstützung Deutschlands, Frankreichs und der Niederlande. Nach der Planung soll die bereits bestehende europaweite Fluggastdatenbank in Zukunft einfach ebenfalls Züge, Busse, Fähren und andere öffentliche Verkehrsmittel umfassen. Die Niederlande und Frankreich reagierten zunächst zurückhaltend auf den Vorschlag.
Deutschland lehnt Beteiligung an Bahndatenbank bisher ab
In Deutschland war Innenminister Thomas de Maizière bisher ebenfalls skeptisch und hat entsprechende Maßnahmen in der Vergangenheit abgelehnt. Auch an den Gepäck- und Personenkontrollen am Bahnhof beteiligt sich Deutschland derzeit nicht. Das führt zu der absurden Situation, dass Passagiere zukünftig zwar bei einer Fahrt mit dem Thalys von Brüssel nach Köln, nicht aber in der Gegenrichtung ausgiebig kontrolliert werden.
Im Streit mit der dänischen Eisenbahn hat die Deutsche Bahn zudem damit gedroht, den Bahnverkehr nach Kopenhagen komplett einzustellen, falls Zugbegleiter die Ausweise der Passagiere an der Grenze kontrollieren müssten. Letztlich übernehmen inzwischen dänische Grenzbeamte diese Aufgabe.
Nach dem Terroranschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz hofft Belgien jetzt, dass in Deutschland ein Umdenken einsetzt. »Es ist entscheidend, dass sich andere Länder an der Datenbank beteiligen«, sagte ein belgischer Regierungssprecher. So sei Anis Amri nach den Anschlägen mit Bus und Bahn unterwegs gewesen.
Was hältst du von der neuen Bahn-Datenbank in Belgien? Ich freue mich auf deinen Kommentar.
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Hervorragend, Belgien will also den europäischen Eisenbahnverkehr zerstören. Schon traurig wie das Projekt EU derzeit sowohl von angeblichen Pro-EU- und -Anti-EU-Parteien zerstört wird …
Du bist noch nicht mit dem Thalys oder dem ICE ab Brüssel gefahren oder? Dort finden definitiv KEINE Kontrollen statt !! Also, erstmal informieren bevor man irgendwelche Infos ungefiltert weitergibt oder gar frei erfindet.
Hallo Dirk,
vielen Dank für deinen Kommentar.
In Brüssel finden (stichprobenartige) Kontrollen für die Thalys statt (aktuell jedoch meines Wissens nur Richtung Frankreich). Nach den Anschlägen im März betrafen die aber auch die ICE Richtung Deutschland. Seit Mitte Juni 2016 bereitet die SNCB weitere Kontrollen vor. Die richtigen Schleusen (Metalldetektoren und Röntgengeräte) kommen in Midi (ebenso wie in Antwerpen und Lüttich) ab Anfang 2017. Durchgeführt werden die Kontrollen von Securail.
Siehe dazu auch:
http://bit.ly/2icnRxg (Artikel von L’Echo evtl. hinter Zahlschranke)
http://www.tagesschau.de/ausland/belgien-bahnfahren-101.html
http://www.xpats.com/security-gates-brussels-south-train-station-early-2017
Der dritte Absatz des Artikels war aber in der Tat etwas unglücklich formuliert. Ich habe ihn deshalb etwas angepasst und verdeutlicht, dass die Schleusen erst ab Anfang 2017 errichtet werden. Danke.
Der europ. grenzüberschreitende Zugverkehr ist bis auf einige wenige Ausnahmen sowieso schon nicht konkurrenzfähig weil keine Zusammenarbeit der Bahngesellschaften stattfindet. Mit recht wenig Aufwand in Vertriebskanäle könnte man erhebliche Marktanteile gewinnen. Wenn jetzt Zugangskontrollen, personalisierte Tickets etc. kommen, dauert die Reise noch viel länger, Flexibilität geht komplett verloren. Außerdem ist eine lückenlose Überwachung in einem stark verästelten Bahnsystem mit vielen Halten, unterschiedlich aufgebauten Bahnhöfen so gut wie nicht möglich und dient wohl nur der Beruhigung der Bevölkerung. Ein Flugzeug mit einem Eingang und einem Start und einem Ziel ist dagegen einfach zu überwachen.
Ich habe ein paar Jahre in einem totalitären Staat (China) gelebt, wo es genau die gleiche Regelung gab. Mit dem Vorwand der Sicherheit wurden zuerst Schleusen installiert und später nicht übertragbare personifizierte Tickets. Was sind meine Erfahrungen dazu?
1. Ticketkauf ist unglaublich umständlich, da man bereits beim Kauf den Pass zeigen muss. Chinesen können online reservieren und das Ticket gegen Vorlage des Passes 45 Minuten vor der Abfahrt abholen. Dann gehts nochmals etwa 15. Minuten, bis man durch die zahlreichen Kontrollen kommt. Ausländer müssen das Ticket beim Bahnhof kaufen. Wenn ich mit einem Freund zusammen reisen will, muss ich zuerst zu ihm nach Hause, um den Pass holen, dann zum Bahnhof, dann wieder zu ihm nach Hause. Zeitaufwand beim Pekinger Stau: 5 -7 Stunden.
2. Die Sicherheit konnte weder durch die personalisierten Tickets noch durch die Schlesen erhöht werden. Vor ein paar Jahren gab es in Kunming gerade beim Sicherheitsbereich eine grösseres Blutbad, als eine Reihe von Uighuren mit Macheten in der Menge um sich stachen. Das gleiche Bild zeigt sich auch bei den Attentaten in Brüssel und Istanbul auf dem Flughafen: Da wurden jeweils die Vorhallen in die Luft gesprengt. Werden diese auch gesichert, haben wir den nächsten Anschlag im Zug, in einer Schule, auf dem Weihnachtsmarkt. Wir müssen endlich einsehen, dass mit Sicherheitsschleusen keine Sicherheit entsteht, sondern dass nur die Ziele verschoben werden.
3. Mit dem Aufbau eines Überwachungsstaats habe ich persönlich Mühe, unter anderem auch, weil ich sechs Jahre lang in so einem Land gelebt habe. Wir dürfen unsere Freiheiten nicht so leichtfertig aufgeben, nur wegen einer kaum existierenden Bedrohung durch irgendwelche Irre.
Aus meiner Sicht bringen die belgischen Vorschläge nur Nachteile und keinen einzigen Vorteil. Ich hoffe, dass es noch lange gelingt, unsere Freiheit zu verteidigen.
Ein absoluter Blödsinn, der Bahnverkehr lebt ja von der einfachen Benützung. Wenn man das jetzt für die hochklassigen Fernreisezüge einführt, weichen potentielle Attentäter einfach auf die Interregio / Nahverkehrszüge aus.
Die Liste der Attribute sind einfach vom Flugverkehr abgekupfert. Schon dort sind die Angaben äusserst fragwürdig. zB die Kreditkarte… ich bezahle mit einer Kreditkarte mein Flug-/Zugticket und mit einer anderen Kreditkarte kaufe ich ein. Oder die neuerdings in den USA freiwillige Angabe der Social-Media – Identität. Welcher Terrorist schreibt auf FB über den Krieg und verwendet die selbe Identität dann beim Ausfüllen einer Einreisebewilligung? Wohl nur einer, der sehr blöd ist.
Das mit den gespeicherten Daten liegt daran, dass das neue Gesetz grundsätzlich für alle Verkehrsmittel gilt: also Flugzeug, Busse, Schiffe und Züge. In Art. 9 wird für die Datensammlung dann nicht unterschieden, mit welchem Verkehrsmittel tatsächlich gereist wird. Deshalb gibt es da dann zum Beispiel auch den Punkt „Angaben zum Gepäck“, was bei Zügen und Bussen ja (zumindest in Europa) eine echte Rarität ist…
Und wenn der Terrorist mit Bargeld ein Ticket am Fahrkartenautomat kauft?